Möbel des Rokokos

etwa 1700-1750

Das höfische Rokoko erlebt in Deutschland als Weiterentwicklung des Barock eine ganz besondere Blüte.

Bau- und Innenraumstil:
Das Rokoko ist vorwiegend ein Stil der Innenraumdekoration. Die Formen werden leichter und geschwungener. Reiche Ornamente überziehen wie Schmuckgespinste Wände, Decken, Türen und Möbel:

- "rocaille" = Muschelwerk
- C- und S-Schwünge
- gerolltes Blattwerk

Kontruktion:
Der konstruktive Aufbau eines Möbels erscheint unwichtig, die einzelnen Glieder (z.B. Beine und Zargen) gehen schwunghaft ineinander über, das Möbel wächst zu einer organischen Einheit zusammen. (siehe Bild 1)

Im Rokoko werden klare Formen durch filigranes Schmuckwerk aufgelöst, die einzelnen Konstruktionselemente wachen organisch zusammen.

Oberflächen, Materialien:
- Hochglanzpolierte Marketerien aus exotischen Furnieren (Rosenholz,Palisander,Mahagoni),
- die wertvollen Oberflächen, Ecken und Füße werden durch Bronzebeschläge geschützt,
- helle Möbel durch helle Furniere oder Bemalungen, Silber und Gold,
- Chinamode: ostasiatische Lacktechnkisck, Ornamentik.

Im Norden, im Bereich der Hanse, Einfluss von England:
- schlichtere Möbel aus Walnuss, später Mahagoni.

Im Aachen-Lütticher Bereich:
- noch massive Eichenholzmöbel mit erhaben geschnitzter Rokokoornamentik auf Türfüllungen, Kästen, Lisenen.

Handwerk:
- Französische Ebenisten, vor allem Charles Cressent, gelten als Vorbild auch für Deutschland.
- In Deutschland entsteht höfisches Rokoko, in Zentren Würzburg,München und Potsdam, daran haben besonderen Anteil:
- Francois Cuviliès in Süddeutschland und
- die Brüder Hoppenhaupt in Potsdam.
- In England war der Kunsttischler Thomas Chippendale richtungsweisend,

Im Übrigen unterliegen die deutschen Kunstschreiner strengen und altertümlichen gesetzen und Formvorschriften ihrer Zunft, sie sind daher mehr dem handwerklichen als dem nur künstlerischen Gestalten verhaftet.

Möbelformen:
- Sitz- und Liegemöbel in unzähligen Varianten und mit größter Bequemlichkeit,
- Schreibtische, Konsoltische an der Wand.

Kastenmöbel: Während in Frankreich Kommoden überwiegen, gibt es in Deutschland viele verschiedene Schränke:
- Kleiderschrank/Schapp behält barocken Charakter,
- Aufsatz-, Vitrinen- und Schreibschränke mit kommoden- oder schrankförmigem Unterbau, einem etwas eingezogenen Oberbau und einer offenen oder durch eine Schreibklappe verschlossenen Zwischenzone,
-Eckschränke.

Möbel des Barok

etwa 1600-1700

Aus Italien und Frankreich kommt das durch den Adel geprägte Barock mit seiner Prachtentfaltung.
In Deutschland und Flandern ensteht ein üppiger Formenreichtum, der besonders auch in den ländlichen Gemeinden angenommen und weiterentwickelt wird.

Baustil:
Prunkhafte Bauwerke. Die aus der Renaissance übernommenen klaren Linien und antiken Stilelemente werden überspielt durch schwellende und geschwungene Formen.

Barock portugies. barocco bedeutet "unregelmäßige Perle, absonderlich".

Handwerk:
Im Barok entwickeln sich die Städte und Residenzen zu Zentren der Möbelkunst.
Der Kunstmöbeltischler heißt Ebenist und arbeitet oft zusammen mit dem Bildhauer, Goldschmied, Bronzegießer und Tapezierer.

Kontruktion, Materialien, Ornamente:
Die Möbel bleiben wuchtig und schwer, aber die strengen Linien werden durch bewegende Formen, durch Licht und Schatten aufgelöst:

- Möbelbeine geschweift, Säulen korkenzieherartig gedreht,
- Schränke mit Kugelfüßen und weit ausladenden Gesimsen,
- reiche Profile, geschwungene und gekröpft,
- Flächen gewölbt, mit "Kissen" versehen oder mit Schnitzwerk Knorpelwerk, Ohrmuschelform) überzogen.

Im Barock bleiben die Möbel schwer, die geraden Linien werden durch geschwungene und gewölbte Formen überspielt (siehe Bild 1)

Oberflächen:
- Dunkel gemaserte Nussbaumfurniere mit Hochglanzpolitur,
-wertvolle Marketerien und Intarsien un Boulletechnik (Boulle franz. Kunsttischler), d.h. Einlegearbeiten in Ebenholz aus Schildlatt, Elfenbein und Metalleinlagen wie Silber oder Kupfer, oder
- ostasiatisch bemalt und lackiert.

Möbelformen:
- Truhe nur noch in der bäuerlichen Kultur bis ins 19. Jh., wird abgelöst durch
- Kommoden und den
- Kleiderschrank mit hohem Teil, in dem die wertvolle aufgehängt wird, und dem Sockel mit Schubladen für Wäsche. Diesen Schrank es als Fassadenschrank mit zwei hohen Türen, aber noch zweigeschossig gegliedert uns als Norddeutscher Dielenschrank (Hamburger Schapp): Repräsentationsmöbel des Bürgers, weit ausladendes Kranzgesims mit vorgekröpftem Mittelfeld, zweitürig. Türfüllungen spitzoval gewölbt mit riechen gekröpften Profilierungen. Sockelschubladen, Kugelfüße.
- Kabinettschrank als höfisches Repräsentationsmöbel,
- Tische: Schreibtisch, Spieltisch, Leuchtertisch,
- Stühle und Sessel werden gepolstert,
- Paradebett als Mittelpunkt höfischen Zeremoniells.

Truhe mit perspektivischer Architektur - (Intarsienkünstler Meister H.S.)

etwa 1500-1600


Nach dem kirchlich-religiösen Mittelalter besinnt man sich in der Renaissance (das bedeutet "Wiedergeburt") zurück auf die antike griechische Kunst und Philosophie, eine humanistische Weltanschauung mit Streben nach Erkenntnis und Wissenschaft. Der Seeweg nach Amerika und Indien wird entdeckt, der Handel wird ausgeweitet, die Wirtschaft belebt.

Baustil:
Klar gegliederte Bauwerke von harmonischen Proportionen erdverbunden, monumental, die Waagerechte betonend. Auf Fassengestaltung wird besonderer Wert gelegt

Antike Bauglieder: Säulen, Kapitelle mit Voluten (Schnecken) und Akanthusblättern, starke Profilierung von Gesimsen, Fensterleibungen und darüber angeordneten Dreieck-oder Segmentgiebeln.

Bau-und Wohnformen:
Handelsstädte entwickeln sich zu größter Blüte,Rathäuser und Patrizierhäuser werden reich ausgestattet.

Handwerk:
Die hervorragenden Handwerker werden namentlich als Künstler anerkannt, Ihre entwürfe durch Vorlagenblätter weit verbreitet. Bekannt sind u.a.:

- Meister H.S., Intarsienkünstler in Süddeutschland, Schweiz und Elsass
- Peter Flötner, Ornamentzeichner, Holzschneider und Kunstschreiner in Nürnberg.

Kontruktion, Materialien, Ornamente:
Die Möbel wirken massig und breit gelagert, die Horizontale wird betont.
Schränke und Truhen erhalten wie Bauwerke Fassaden: Fenster,Giebel,Gesimse, Säulen und Kapitelle nach antikem Vorbild . Aus dem Ausland werden exotische Hölzer eingeführt.

- in Süddeutschland: einheimisches Kiefernholz, mit Edelhölzern furniert und mit kostbaren Intarsien (Einlegearbeiten) und Marketerien (aus verschiedenen Furnieren zusammengesetzte Ornamente und Bilder, oft als perspektivische Architekturdarstellungen) geschmückt.

- in Norddeutschland: weiterhin massive Eichemöbel, geschückt mit Löwenköpfen, Masken, Tierfüßen. Die Rahmenfüllungen, später das ganze Möbel mit Schnitzereien von Ranken und Bilddarstellungen. Die Innenräume werden mit hölzernen Wand- und Deckenvertäfelungen ausgestattet, Türen und Fenster, oft auch die Möbel mit einbezogen.

In der Renaissance werden Möbelfronten als Fassade mit antiken Formen gestaltet.

Möbelformen:
- Truhen,
- Schränke, immer noch zweigeteilt in Ober- und Unterteil. Neu entstehen "Kabinettschränke" mit vielen kleinen Fächern für wetvolle Sammlerstücke. Weiterhin Stollenschrank (Kredenz), Schenkschywe, Überbauschränke.
- Stühle: Pfostenstuhl, Armlehnstuhl, Falt- und Scherenstuhl, für das Volke einfache Brettschemel mit steifer Rückenlehne.
- Tische: Viele verschiedene Typen werden gebräuchlich: Wangentusche, Tische mit Mittelstütze oder vier selbstständigen Füßen, klapp-oder ausziehbare Platten.

Romanische Truhe mit Blendarkarden 12. Jh.

etwa 1000-1250

Der erste eigene Kunststil der nördlichen und östlichen Gebiete Europas war noch beeinflusst von den antiken römischen und byzantinischen Vorbildern, doch die übernommenen Elemente wurden teilweise stark vereinfacht und derb gestaltet.

Baustil:
Übersichtliche kubische Bauformen, massig und erdverbunden, Säulen, Rundbogen, Würfel- und Figurenkapitelle¹.

(¹Kapitell= Kopfstück einer Säule)

Bau- und Wohnformen:
Die Wohnkultur steht noch auf sehr niedriger Stufe, die kirchliche Baukunst dagegen ist hervorragend, denn Kirchen und Klöster besitzen Macht und Einfluss:

- Bauern leben in einfachen Katen.
- Städtische Häuser sind einfach, mit Hauptraum ohne Ofen oder Kamin, kein Fensterglas.
- Der Adel lebt auf Burgen ohne Prunk, eine wandernde Hofhaltung erfordert bewegliche Möbel.

Handwerk:
Das technische Wissen der Antike hat sich nur in Klosterwerkstätten überliefert, wo Prunkmöbel enstehen. Den Beruf des Schreiners oder Tischlers gibt es noch nicht, einfache Möbel werden von Drechslern oder Zimmerleuten zusammengefügt.

Konstruktionen:
In der Romanik überwiegen einfache Brett- und Pfostenmöbel.

Holzverbindungen sind kaum bekannt.

- Brettbau: Massive Pfosten und Spaltholzbretter werden untereinander verzapft oder vernagelt und mit Eisenbänden beschlagen, um Zusammenhalt der durch Werfen, Schwinden und Reißen gefährdeten Konstruktionen zu erreichen.

- Pfostenbau: sitzmöbel werden vorwiegend aus gedrechselten oder Vierkanthölzern zusammengesetzt (Pfosten=Stollen). Erst später werden Holznägel, Dübel und Zapfenverbindungen angewandt.

Ornamente:
- einfache Flach- und Kerbschnitzereien und Rillen,
- Rundbogen, Rosetten, Baluster (=Säulenreihen),
- Bemalung.

Möbelformen:

Selbst in wohlhabenden Häusern besteht Mobilar nur aus wenigen Teilen:

- Die Truhe als wichtigstes und bewegliches Möbel zur Aufbewahrung von Kleidern und anderem Hausrat dient auch als Sitzmöbel. Zuweilen als Dachtruhe mit giebelförmigem Deckel.

- Schränke sind selten, wirken wie hochkant gestellte Truhen. Oft als Giebelschränke entsprechend der Dachtruhe.

- Tische bestehen aus Böcken mit Platte (Tafel) und werden nur zum "Tafeln" (tafeln=Nahrungsaufnahme, essen) aufgestellt.

- Stühle und Sessel sind vornehmlich Herrschersitz (Thron), so auch der bewegliche Scherenstuhl, den der Herrscher bei seiner wandernden Hofhaltung mit sich führt. Stühle , Sessel und Bänke als Pfostenmöbel oder Kastensitze.

Louis-seize-Möbel Kommode mit Lackmalerei

1919 bis heute

Nach dem ersten Weltkrieg entstand aus der wirtschaftlichen Not heraus und aus dem Bedürfnis nach einer neuen und ehrlichen Sachlichkeit ein Möbelstil, der unser Formempfinden bis heute stark geprägt hat

Besonderen Verdienst daran hatte das "bauhaus" (1919-1933 in Weimar, Dessau und Berlin):
- geometrisch einfache Formen ohne Ornamente, Schmuck sind nur die
- gute materialgerechte Kontruktion und das
- Material ( Holz, Stahl, Leder, gewebte Stoffe),
- handwerklich einwandfreie Verarbeitung, auch gut geeignet für die industrielle Massenproduktion.

Heute ist das Angebot in den Möbelmärkten reich gefächert: Vom glatten Kunststoff - oder kunststoffbeschichtetem Möbel über "nordische" Kiefernholzmöbel bis zu Stilmöbeln in den unterschiedlichsten Qualitäten werden die Möel meistens vom Designer entworfen und in Fabriken hergestellt.

Der Tischler unserer Zeit sollte immer bestrebt sein - im Gegensatz zur industriellen Massenware - nach individuellem Entwurf, abgestimmt auf Material und Konstruktion, ein handwerklich gediegendes Möbel anzufertigen.